Samstag, 25. Juli 2009

Hindi und Hardrock

Samstag, 25. Juli, 10.30 Uhr
Pandhra

Hindi! Eine Sprache, die einen auf die Wichtigkeit einer praezisen Artikulation hinweist. Diese Sprache darf ich jetzt lernen.
Vier verschiedene Ts sind zu unterscheiden, dabei ist keines wie das nasse Deutsche T und keines wie das gelispelte Englische Th. Es gibt 12 Vokale und 36 Konsonanten, die alle als voellig eigene Zeichen auswendiggelernt werden wollen. Kombiniert man nun Vokal und Konsonant, so entsteht wieder ein neues Zeichen. Bis auf ein paar Ausnahmen gibt es dafuer zum Glueck ein Schema, das mir mittlerweile einleuchtet. Das erste Wort, das ich ohne Hilfe lesen konnte, war "aag"; Es stand auf einem Schild neben einem verstaubten Feuerloescher und bedeutet Feuer.
Ich bin gerade in der zierlichen und supergemuetlichen Wohnung einer meiner zukuenftigen Gastschwestern Aarti. Ihre Eltern werden mich wohl waehrend meiner letzten Monate hier in Indien beherbergen. Aarti ist 24 und arbeitet als Grafikdesignerin fuer eine Modezeitschrift. Ihre Wohnung befindet sich mitten in Mumbai.
Auf den Strassen sieht man in diesem Teil der Riesenstadt nicht nur ein paar Auslaender, aber vor allem viele junge Leute. Mulund, der Ort, ich dem ich jetzt die ersten Monate ueber wohne, ist im Vergleich zu hier eher eine Gegend fuer Kinder und aeltere Generationen.
Ganz spontan rief mich Aarti gestern mittag an und fragte, ob ich nicht den Freitagabend mit ihr verbringen wolle. So sah ich gestern das Hardrock Cafe Mumbai von innen, liess mich im Club nebenan taenzelnd von den Menschenmengen herumdruecken und lernte ihre Freunde kennen. Das Highlight des Abends war der atemberaubende Blick auf die Stadt und das Meer(!) vom Balkon einer ihrer Freunde. Meine Kamera ist nicht die professionellste, dennoch sind die Fotos nicht zu verachten (Ich versuche, sie in den naechsten Tagen hochzuladen).
Es ist nun kurz vor elf. Aarti und ihre Mitbewohnerin schlafen, noch waehrend ich den Bauarbeitern zuschaue, die auf dem Hochhaus gegenueber voellig ungesichert am Dach herumbasteln. Auf einem 22-stoeckigen Bau befinden sie sich in einer Hoehe von bestimmt 100 Metern, und das alles ohne Geruest!
Heute steht, nach einem scharfen Fruehstueck, ein Strandspatziergang kombiniert mit einem Stadtbummel auf dem Programm. Dann fahre ich wieder nach Mulund, um bei den Vorbereitungen fuer Sonntag zu helfen: Anikets Abschiedsfeier. (Mein Gastbruder Aniket wird, ebenfalls von Rotary entsandt, ein Jahr in Deutschland verbringen und kommt fuer einige Zeit sogar auch in meine Familie.) Schon wieder ein Abschied, aber ich bin so gespannt darauf, was er von Deutschland erzaehlt!

Sonntag, 19. Juli 2009

Zugfahren in Indien

Freitag, 17. Juli
zwischen Nord- und Suedmumbai

Um mir bei der Polizei meine Aufenthaltsgenehmigung abzuholen befinde ich mich nun das erste Mal in einem indischen Zug. Dicht an dicht gedrängt sitze ich zwischen meiner Gastmutter und dem vergitterten Fenster. Es gibt weder Glasscheiben noch Türen. Wenn ich herausschaue, kann ich einen Zipfel des Saris sehen, dessen Trägerin sich, noch während der Zug anfuhr, einen Platz halb in, halb außerhalb des Zuges erkämpfte.
Ich sitze im Frauenabteil. Es gibt mit großer Sicherheit keine Farbe und kaum eine Farbkombination, die eine Inderin nicht tragen würde. Die meisten haben einen aufgemalten oder -geklebten Punkt auf der Stirn und klimpern mit ihrem goldenen Schmuck. Selten sieht man rot gefärbtes Haar; helles Haar ist (alte Leute und mich mal ausgenommen), nur bei Touristen im Süden Mumbais zu sehen. Dafür gibt es Shiks mit Turbanen, Frauen und Männer, die schwere Krüge auf den Köpfen balancieren und Schuhe in allen Formen und Farben – hauptsache luftig.
Langsam bekomme ich eine vage Vorstellung davon, wie Armut ausehen muss. Es ist beschämend, wie ich über die Wohnung meiner Gastfamilie gedacht habe, als ich dort ankam. Wir wohnen im zweiten Stock. Die Zimmer sind klein (außer meines, in dem normalerweise meine Gastbrüder schlafen. Jetzt übernachten sie auf einer aufklappbaren Couch im Wohn- und Arbeitszimmer), es gibt eine Toilette, dazu Toilettenpapier (!), die Dusche ist im gleichen Zimmer und besteht lediglich aus einem Duschkopf. Weder eine Tür noch ein Duschvorhang ist vorhanden, sodass man auf so engem Raum bei jedem Duschen auf sein Handtuch achten muss, damit es nicht nass wird. Hände waschen kann man auf dem Gang. Die Küche ist etwas größer, natürlich mit einem reservierten Platz für kleine Figürchen und Bildern, die mindestens einmal am Tag mit teuren Gewürzen betupft werden. Das Schlafzimmer der Eltern vervollständigt die Wohnung.
Was mich zuerst etwas abschreckte, war der Dreck in der Stadt. Den prüfenden Bilck meiner (deutschen) Mutter im Gedächtnis, der nach der Puzeinheit durch die Bad Kreuznacher Wohnung schweift, kam mir hier alles ziemlich verschmutzt vor, sodass ich versuchte, so wenig wie eben möglich zu berühren. Mittlerweile habe ich mich soweit angepasst, dass ich bei unerwünschten Insekten auch selbst Hand anlegen kann. Zum Glück ist das nicht allzu oft notwendig, bisher habe ich eine Kakerlake und drei Ohrenkneifer auf dem Gewissen (Fliegen zählen nicht).
Wenn ich mir im Vergleich zu meiner Unterkunft also die mit Plastikfetzen überdachten Baracken ansehe, an denen wir vorbeifahren, wird es mir doch recht mulmig (ganz zu schweigen von den Sammelstellen auf Abstellgleisen, auf denen die Leute nur von einer Brücke vor Niederschlag geschützt sind).
Dort leben also Menschen wie du und ich... Überall liegt Müll. Was passiert wenn es ernsthaft regnet? Was machen sie mit Ungeziefer? Und fließendes Wasser??

Ich trete den Rückweg leider ohne den ersuchten Schein an. Es fehlt ein aktuelles Formular meines zukünftigen Colleges und ein Passbild, auf dem meine Ohren sichtbar sind. Dafür habe ich etwas von Süd-Mumbai gesehen: das Hohe Gericht „High Court“, die University Of Mumbai, die Railway Station und das Taj Mahal Hotel (inzwischen wieder vollständig restauriert), das Prince of Wales Museum (danach war meine Aufnahmefähigkeit erstmal am Ende, aber es war angenehm kühl) und das Meer! Meine Augen erblickten das erste Mal den Indischen Ozean.
Wir (Pradjumna, Shamla, ich) kehrten in ein Schnellrestaurant ein, das mich etwas ans Café Zürich erinnerte. Ein Lassi und etwas Reisähnliches mit scharfer Soße brachten meinen Kreislauf wieder auf die Sprünge und so ließen wir uns per Taxi zur Zugstation chauffieren.
Zu Hause werde ich hoffentlich etwas Zeit haben, mich auszuruhen.

Mein 17ter Geburtstag

Donnerstag, 16. Juli

Siebzehn! 17! XVII!! Unter dem ganzen Trubel habe ich meinen eigenen Geburtstag gar nicht richtig wahrgenommen.
An diesem 14. Juli war Familie Mokashi (Pradyumna, Shamla, Aniruddha, Aniket und ich) zusammen mit einer Tante bei der Großmutter Umaji und ihrem Mann, die etwas außerhalb wohnen. Ich war nämlich nicht das einzige Geburtstagskind: Auch Umaji wurde diesen Dienstag ein Jahr älter!
Bevor wir unsere Geschenke bekamen, gab uns jede Frau im Zimmer etwas Farbe auf die Stirn, uns wurde Reis auf den Kopf gestreut und ein wenig Zucker in die Hand gegeben. Dann, wie bei meiner Ankunft, wurde ein Teelicht auf einem Silbertablett dreimal vor ihrem und meinem Gesicht geschwenkt.
Jetzt bin ich wirklich ausgestattet und muss nicht immer in westlichen Klamotten, in denen man wirklich schwitzt, herumlaufen. Ich bin nun stolze Besitzerin eines wunderschönen grünen Saris mit blau-violetter Schärpe. All die anderen Geschenke aufzuzählen würde wohl zu lange dauern. Über mein Geschenk, ein gehäkeltes Fensterbild, hat sich Umaji jedenfalls auch sehr gefreut (Danke Mama!). Wir aßen von Silbertellern, die wir mal mit scharfen, mal mit süßen Spezialitäten aus vielen bereitgestelten Schüssen füllten, um sie (natürlich mit der rechten Hand) wieder zu säubern. Es war wirklich lecker. Am besten schmeckte mir ein Kokosnusstörtchen, von welchem gesagt wird, es sei die Lieblingsspeise des Elefantengottes Ganesha. Er ist der Sohn von Mahesh und Parvati und an seinem entzückenden Rüssel zu erkennen. ;-)
Es war permanent am regnen. Durch den Putz des neuen Hauses – es ist erst letztes Jahr erbaut worden – sickerte Wasser. Ich lehnte mich nur für eine kurze Zeit an die Innenwand des Hauses, und hatte prompt einen nassen Rücken.
Bis zu unserer Rückkehr nach Mumbai machte ein erfrischendes Mittagsschläfchen, sah mit den anderen fern (Überschwemmungen in Süd-Mumbai!) und verlor einige Partien Rummy gegen meine Gastbrüder (die indische Version von Rommé-Hand). Immer wieder riefen mir kaum bekannte Leute an, die mir über Shamlas Handy alles Gute zum Geburtstag wünschten.
Alle Plastiktüten sicher verstaut traten wir die Rückfahrt an, auf der ich hier zum ersten Mal frei auf der Straße herumlaufende Kühe und eingespannte Büffel sah.
Den Rest des Abends verbrachten wir zusammen mit meinen beiden anderen Gastfamilien und ferneren Bekannten in einem Restaurant. Neben allerlei indischer Köstlichkeiten konnten wir einem Marionettentheater mit Livemusik und -gesang beiwohnen. Auf Wunsch wurde auch Happy Birthday gesungen, während ich mit großen Stücken Schokoladentorte gefüttert wurde.
Es war ein wirklich gelungener Tag!

Montag, 13. Juli 2009

angekommen!

jetzt bin ich also wirklich in mumbai. eigentlich wollte ich schon einen eintrag mit meinen ganzen vorbereitungen veroeffentlichen, aber ich fand kaum zeit dazu. das ist wohl die beste beschreibung der letzten tage: sie waren ereignisreich, traenenreich und gingen verschwindend schnell vorueber. kaum hatte ich mir klar gemacht, jetzt nur noch eine woche kreuznach vor mir zu haben, sass ich auch schon im zug in richtung frankfurt flughafen.
das war gestern. ich hatte einen sehr angenehmen flug. es wurde indisches essen serviert und man hatte einen irren ausblick auf wuestenlandschaften, kuesten, den rosigen sonnenuntergang und lichterinseln bei nacht.
nach einigem hin und her mit reisepaessen und anderen bescheinigungen bin ich um 01:00 uhr von meinen gastfamilien (allen dreien!) in empfang genommen worden. es waren bestimmt zehn leute, die mir blumen schenkten und mich freudig willkommen hiessen.
ja, alles ist anders. die luft ist unglaublich feucht und warm, jede strassenecke riecht verschieden. die farbigkeiten sind so viel staerker, die strassen sind voller und vor allem lauter. eine kuh habe ich zwar noch nicht gesehen, doch aber jede menge hunde, die im muell vor den blechbaracken nach essbarem wuehlen.
vor der wohnungstuer meiner ersten familie mokashi angekommen, bekam ich von jeder frau rote und gelbe farbe auf die stirn getupft. dann haette ich zuerst meinen rechten fuss in die wohnung setzen sollen, was sie mir aber leider zu spaet sagten. sie saehen das nicht so eng, gaben sie mir danach freundlich zu verstehen. es gab kekse und kaffee und fuer mich >boiled water<. die fuehrung durch die wohnung war kurz, denn es gibt nicht viele räume: ein wohnzimmer, das gleichzeitig eingangshalle und arbeitsraum ist (hier steht der pc), das schlafzimmer der eltern, mein zimmer, die küche und zwei winzige bäder. ich habe ein verhältnismäßig großes zimmer mit zwei betten, in denen eigentlich meine gastbrueder aniket und aniruddha schlafen. sie schlafen jetzt im wohnzimmer auf einer ausklappbaren couch. das nenne ich gastfreundschaft!
gegen vier uhr, nachdem sich alle verabschiedet hatten, gab mir meine gastmutter shamla einen temperaturgerechten schlafanzug und ich ging zu bett.
heute abend werde ich mit ihr in die stadt gehen und leichtere kleidung kaufen.
das internet ist hier nicht sehr zuverlaessig und die grossschreibtaste klemmt, deswegen werde ich nun erstmal schluss machen.
ich bin wirklich gespannt, was so alles auf mich zukommt und hoffe, bald verschwindet dieser nervige kloss im hals.

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Rotary-Austauschschülerin nach Mumbai