Montag, 3. August 2009

"Pooja"

Freitag, 31. Juli 2009
Badlapur

Bisher war mir „Pooja“ nur als der Name einer meiner zukünftigen Gastschwestern bekannt. Heute habe ich die Ehre, bei dem gleichnamigen Ritual teilzunehmen.
Es hieß, die Pooja solle um 16 Uhr beginnen. So machten sich mein Gastbruder Aniket und meine Gasteltern am Vormittag auf den Weg nach Badlapur, zum Haus der Großmutter Umaji, wo wir auch schon den 14. Juli, meinen und ihren Geburtstag, verbracht hatten (siehe unten). Nach der herzlichen Begrüßung gab es erstmal Essen. Aniket jedoch, der später noch eine wichtige Rolle bei den Festlichkeiten einnehmen sollte, durfte bestimmte Dinge nicht essen – man kann auch sagen, es blieb ihm nichts außer „Sabudana Ki Khichidi“; helle, perlengroße Kügelchen und „Thalipeed“; kleine, scharfe Pfannkuchen. Vor einer Pooja fastet man nämlich („Upas“) und diese beiden Gerichte gehören zum „Upas“-stuff, wie mir Aniket erklärt.
Ich konnte derweil eine mir bisher völlig unbekannte Frucht kennenlernen. Sie wird „Sita Fal“ genannt, ist apfelsinengroß, sieht ein Bisschen aus wie eine Artischocke, ist aber so weich, dass man sie ohne Kraftaufwand auseinanderbrechen kann. Sie lässt sich wie eine Kiwi auslöffeln. Übrig bleiben schwarze, glatte Kerne und die weiche, brüchige Schale. Über den Geschmack kann ich nur sagen: süß, etwas bananig, äußerst lecker.
Über das Warten auf 16 Uhr schlief ich ein. Haben Inder Zeit, so ist es für sie das Normalste der Welt, einfach mal nichts zu tun. Man schlendert im Haus herum, sitzt oder liegt, sieht fern, döst und hört, zumindest in diesen Monaten, dem prasselnden Regen zu. Für viele Aktivitäten ist es einfach zu schwül. Betritt man einen Raum, so schaltet man zuallererst den Ventilator an, der hier beinahe so wichtig ist, wie eine Glühbirne bei Dunkelheit. Oder etwa noch wichtiger – der Ventilator bleibt über Nacht angeschaltet!
Als ich aufwachte, war war unsere Gemeinschaft um weitere Familienmitglieder und einem Badjhi (hindischen Priester) reicher geworden. Es war 16.30 Uhr. Langsam kamen die Vorbereitungen für das Ritual in den Gang: Auf einer schmalen Anhöhe, einer art Altar, wurden Früchte, farbiges Pulver, Reis, Wasser, Milch, kleine Messingfigürchen und jede Menge bunte Blüten bereitgestellt und alle anwesenden Frauen legten ihre leuchtend bunten Saris an. Meine Saribluse ist leider noch bei der Schneiderin, bis zur nächsten Festlichkeit ist sie aber bestimmt fertig.
Mit einer Indischen Verspätung von einer vollen Stunde setzten sich der Badhji und Aniket auf kleine Teppiche gleich neben den Altar. Der alte Mann begann mit einer Art Sprechgesang, der zwischendurch von Anweisungen an Aniket unterbrochen wurde. Dieser hatte die Aufgabe, alles auf traditionelle Art und Weise an die richtige Stelle zu bringen: Räucherstäbchen wurden angezündet, Statuen wurden begossen und mit Blumen und Reis bestreut; auf einem Silberteller mit Reis und Holzkugeln, symbolisch für das Universum und die Planeten, wurden Blüten und andere Gräser aufgetürmt,... Immer wieder ließ sich Aniket frisches Wasser aus einem Bronzekrug über die Hände laufen, was ihn zwischen all den Versen sichtlich erfrischte. Dies alles geschah begleitet von Handygeräuschen, Türklingeln, Kommen und Gehen von Verwandten und Bekannten, deren Unterhaltungen mal im Flüsterton, mal lautstark. Ungerührt singt der Badjhi weiter, zwinkert in die Kamera, blickt freundlich in die Runde. Ich höre seiner klaren Stimme zu und staune über die Geschwindigkeit der Worte. Dass diese weder Hindi noch Marathi zuzuordnen sind, sondern Sanskrit, erfuhr ich erst später. (Hindi, Marathi und alle anderen indischen Sprachgruppen stammen von Sanskrit ab wie alle Romanischen Sprachen vom Lateinischen.)
Als jedes Element seinen richtigen Platz eingenommen hatte, gab es eine Pause. Nein, nicht etwa der Badhji brauchte ein Glas Wasser und ein Bisschen Bewegung – nach zwei Stunden bat Aniket um eine kurze Erfrischung.
Es ging weiter mit Sagen und Geschichten, es wurde gesungen und Aniket wurde, wie ich es von Hochzeiten her kenne, mit Reis beworfen. Zuletzt gab jeder Anwesende eine Blume auf den Altar und bekam einen Tropfen Milch und einen süßen Brei in die rechte Hand. „Eat!“ ist die Devise.
Es ist nun 20 Uhr. Man sitzt gemeinsam in Wohnzimmer und plaudert, isst, lacht. Mein Gastvater gibt mir ein Resumen der eben gehörten Geschichten mit der Moral: Das Praktizieren von Poojas bringt Glück, es wissentlich und willentlich zu unterlassen bringt Unglück; das Wichtigste aber ist – ob nun in Indien oder Deutschland – ein unumstößliches Gottvertrauen.

2 Kommentare:

  1. Hey Anthea,
    Die Frucht die du gegessen hast, heißt im Deutschen Zimtapfel und wird hier aus transporttechnischen Gründen nie verspeist, was wohl erklärt, weshalb du sie nicht kennst. Eine Verwandte Frucht, den Guyabano, gibt es im Fairen Handel als Trockenfrucht (natürlich auch im Ökoshop :D ) http://de.wikipedia.org/wiki/Zimtapfel
    ...genug recherchiert zum Schwadronieren und Schleichwerben.

    Es ist interessant, über solche Kulte so ausführlich zu lesen, auch darüber, wie mit den religiösen Praktiken umgegangen wird, man stelle sich vor, die Gottesdienstbesucher in einer Kirche würden sich lautstark unterhalten oder kommen und gehen, wie es ihnen passt...

    Ich kann die Bilder nur in kleiner Auflösung anschauen, gibt es sie auch in einer besser zu betrachtenden Größe?

    Ganz Liebe Grüße und Wünsche,
    Konsti

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  2. Querida Anthea, te mando un saludo muy cordial desde Barcelona. Seguiré un poco tus andares en la India: "Life is a voyage, not a guided tour", tú en la India, en esta familia que te acoge, será un libro que tú leerás y te servirá para realizarte como persona que busca. Tú eres la que escoge los caminos a seguir y así ser un regalo para tus padres, tu família, tus amigos, la Iglesia universal. Sé portadora de esperanza en la India y contágianos tus ilusiones y esperanzas. I ¿por qué no?, descríbenos lo que hemos de cambiar desde nuestro primer mundo, demasiado centrado en el ombligo de Europa. Gracias por tu coraje. Dios te bendice: unidos en la fe, la esperanza y el amor a los hermanos y hermanas.

    Prayers and cheers
    ignasi

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