Freitag, 14. August 2009

Krishnas Geburtstag

Donerstag, 13. August 2009
Mulund West


Heute vor einem Monat bin ich angekommen! Den Abend dieses Tages verbrachte ich bei Adriana (Inbound aus Mexico) und ihrer Gastfamilie bestehend aus Gastmutter, -vater, -bruder und -großmutter. Ihre Gastschwester ist letzte Woche ebenfalls als Rotary-Austauschschülerin nach Mexiko geflogen, hat Adriana aber vorher all ihren Freundinnen aus der Wohninsel vorgestellt. Nun kenne ich auch einige davon – wir spielten einige Runden „Uno“, plauderten über den Austausch und übersetzten einige hilfreiche Sätze von Englisch in Hindi und von Hindi ins Spanische. „Khaane ka theeka mat banao“ ist einer davon: „Please don't make the food spicy“.
Es gab ein ausgiebiges Abendessen, obwohl wir immer wieder betonten, wir seien noch satt vom Mittagssen. (Was würden sie bloß mit uns machen, wenn sie unsere Bäuche knurren hörten??) Gegen 23 Uhr, als Adriana und ich uns schon bald bettfein machen wollten, begann ihre Gastmutter von einer Feier zu Ehren Krishnas zu reden. Dieser Gott mit einer Querflöte, seinem Markenzeichen, hat nämlich am 14. August Geburtstag.
Wir gingen nicht etwa in einen Tempel oder ein anderes Gotteshaus, wir wechselten nur das Stockwerk. Wir erreichten mit dem Aufzug den „9th floor“; schon ab dem sechsten jedoch hörten wir die Trommeln und mit Mikrofon verstärkten Gesänge. Welch eine Lautstärke mitten in der Nacht in einem Haus, in dem so viele Menschen so dicht beieinander wohnen! Zum Glück gibt es in Indien kein Ordnungsamt.
Im Flur vor der Wohnung, in der die Feier stattfand, lagen bestimmt 50 Paar Schuhe. Dementsprechend voll war es in der reich geschmückten Wohnzimmer: Es hingen Blumengirlanden, Glitzergirlanden und Lichterketten knapp unter den Ventilatoren unter der Decke, ein großer Luftballon baumelte von einem Regal und eine Krishna-Porzellanfigur nahm den zentralen Platz auf der Kommode ein, auf dem ansonsten bestimmt der nun in die Ecke geschobene Flachbildfernseher steht. Die vielen orange-, gelb- und pinkfarbenen Blumenketten um sich, war Krishna kaum noch zu sehen. Die bunteste Raumdekoration waren jedoch die Sarees aller anwesenden Frauen. Die meisen saßen auf dem Boden, einige ältere Frauen teilten sich den Platz auf dem Sofa. Von Erdtönen bis hin zu Azurblau über Purpur und Neongelb – jede Farbe hätte sich finden lassen. Zwischen den vielen Frauen sprangen Kinder umher, ihnen war die späte Uhrzeit im Gegensatz zu mir kein Bisschen anzumerken. Auch Männer und Jugendliche fanden sich in der Menge. Sie saßen weiter vorne, auch auf dem Fußboden, und machten Musik. Ein Keyboard mit Zittersound, viele Schlaginstrumente und die Vibratostimmen der Sänger und Sängerinnen ließen ab 23.45 Uhr die ersten Reihen tanzen. Alle anderen sangen mit oder klatschten im Takt. In einer kurzen Singpause klingelte auf einmal das Telefon und ein Schmunzeln ging durch die Runde. Auch in einer normalen Wohnung kann ein Gottesdienst stattfinden, sodass man sich bald wie in einer (...) fühlt.
Um Mitternacht wurde die Musik noch einmal besonders „forte“. Die Neonleuchten wurden ausgeknipst, sodass nur noch die Lichterketten und die Öllampen um die Götterfigur herumplatziert Licht gaben. Ein Räucherstäbchen wurde angezündet und an den Luftballon gehalten, der mit einem lauten Peng! zerplatzte. Alle standen auf, viele sprachen Gebete oder opferten der Götterfigur weitere Blumen, Gewürze, Geld.
Gegen 00.15 Uhr ging das Licht wieder an und es wurde weitergesungen, geklatscht, gefeiert. Angesichts unserer vom Klatschen schmerzenden Hände versicherte uns Adrianas Gastmutter, wir würden in fünf Minuten aufbrechen. Zum Glück konnte ich bei Adriana übernachten, denn bis die Feier zu Ende war zogen sich die fünf Minuten eine halbe Stunde lang. Jeder bekam eine Art süßen Kartoffelbrei mit salzigen, weichgekochten Erbsen in Plastikschälchen und Plastikbecher mit lauwarmer Milch, darin Nüsse und Trockenfrüchte in die Hand gedrückt. Danach ging es schleunigst und mit protestierendem Magen ins Bett.
Adriana und ich waren so betäubt von dem erlebnisreichen Tag, dass wir die Ratte im Badezimmer erst am nächsten Morgen entdeckten...

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Rotary-Austauschschülerin nach Mumbai