Donnerstag, 27. August 2009

Ganpati

Mittwoch, 26. August 2009



Mumbai funkelt, glitzert, leuchtet in allen erdenklichen Farben und Ganesha, der Gott mit dem Elefantenkopf, ist nun in jeder Straße und gewiss auch in den Wohnungen zu finden: Es ist das Fest Ganpati. Arm und reich feiern den Gott, der die Stolpersteine auf jedermanns Weg zu Erfolg oder dem persönlichen Lebensziel beseitigen soll.

Aber wie kommt er zu dieser Art von Kopf?


Im Hinduismus glaubt man, wie auch im Christentum, an eine Dreieinigkeit: Brahma, der Schöpfer, Vishnu (auch Krishna genannt), der Beschützer und Mahesh, der Zerstörer. Nach der Legende war dieser letzte mit Parvati verheiratet. Als sie schwanger wurde, ging Mahesh auf eine langjährige Reise. Noch während seiner Abwesenheit gebar Parvati einen Sohn und nannte ihn Ganesha. Schon als kleiner Junge lernte er, seine Mutter und Kailash, ihre Höhle im Himalayas, zu beschützen. Auf Befehl der Mutter hielt er Wache vor dem Eingang und ließ niemanden herein, unglücklicherweise machte er auch für seinen eigenen Vater keine Ausnahme, als er eines Tages von seiner Reise zurückkam. Mahesh wurde so zornig, dass ihm der Eintritt zu seinem eigenen Haus verwehrt wurde, dass er seinen Sohn, ohne ihn als diesen zu erkennen, kurzerhand köpfte. Wie das mit einem Dreizack, Mahesh' Markenzeichen, möglich war, versteht niemand so recht, und doch ist es wichtig, dass der Kopf im Flug einen weiten Weg zurücklegte. Parvati freute sich natürlich über die Rückkehr ihres Mannes, war aber bestürzt, als sie die Leiche ihres Sohnes sah. Sie erklärte Mahesh, wen er gerade umgebracht hat und befahl ihm, den Kopf wiederzubringen. Nach langer, erfolgloser Suche kehrte Mahesh statt dessen mit einem Elefantenkopf wieder, der so zu Ganeshas Markenzeichen wurde.


Ganpati wird hier so gefeiert wie Ostern in Deutschland. Den Samstag verbrachten Adriana und ich damit, meiner Gastmutter in der Küche zu helfen. Wir rührten eine scharfe Creme an, schmierten große „Alu“-blätter damit ein oder halfen bei der Zubereitung von süßem Chapati (Puranpoli). Auch wenn wir nicht von den Speisen kosten durften – die Gäste müssen den ersten Bissen nehmen – war dies eine überaus interessante und spaßige Arbeit, verglichen mit dem anstrengenden Schreiben im College.

Viele der Zutaten hatten mein Gastbruder Aniruddha und ich den Tag zuvor eingekauft. Die Straßen waren schon geschmückt mit Girlanden und Lichterketten, durch die Abgase hindurch duftete es nach Räucherstäbchen und Süßem. Die Läden waren proppenvoll – dies muss die Hochzeit aller Händler sein! Die Kunden lassen sich weder von der Lautstärke noch von dem Gedrängel innerhalb und vor dem Geschäft abschrecken und stolpern im besten Fall mit vollen Einkaufstüten, geschwitzt aber glücklich, aus dem Getummel heraus.


Am Sonntagmorgen, nachdem das Idol und all das andere Silber poliert worden war, zog Ganesha in die Wohnung ein. Die Figur wurde von meinem Gastbruder in die Wohnung getragen und mit Pulver und Reis begrüßt bevor sie in ihren Tempel wandert. Da meine Gatfamilie andere Familien und Bekannte dazu eingeladen hatte, während der ersten Tage Festzeit mal in unserer Wohnung vorbeizuschauen, hatten wir natürlich einen Haustempel. Es ist ein Gebilde aus Plastik, das mit bunter Farbe und Glitzer besprüht ist. Nach Deutschem Verständnis macht er einen etwas kitschigen Eindruck, Inder freuen sich dagegen umso mehr daran, wenn er zusätzlich mit Blumen und blinkenden Lichterketten geschmückt wird.

Dem Einzug folgt eine Pooja, diesmal von meinem Gastgroßvater Dada und Aniruddha ausgeübt. Diese war nicht viel anders als die des Badhji und Aniket, von der ich schon berichtet habe, nur wurden die Texte abgelesen und das Ritual dauerte nur zwei statt vier Stunden. Das unregelmäßige Blinken der Lichterkette auf dem Dach des Tempels, vor dem die Pooja stattfand, schien niemanden zu stören und auch die Familie des Bruders meiner Gastmutter, die währenddessen eintrudelte, kam nicht etwa zu einem unpassenden Zeitpunkt: Umso lauter war der Lobgesang (Aarti) gleich im Anschluss an die Pooja. Zwar sind die Gesänge nicht sehr melodiös, aber rhythmisch, sodass ich mit Summen und Klatschen einen Teil zur Aarti beitragen konnte. Geht man in dieser Woche durch die Straßen, so kann man aus vielen Wohnungen das Klatschen und Glöckchen hören und weiß: Dort wird auch Ganpati gefeiert! Schätzungsweise jede vierte Indische Familie lädt zu sich in die Wohnung ein, einige für zwei Tage, so wie meine Gastfamilie, andere für fünf oder gar zehn Tage.


Sonntag und Montag kamen also allerlei Bekannte und Verwandte auch in unsere Wohnung. Zu diesem Anlass trug ich zum ersten Mal meinen Sari! Obwohl dadurch ein Teil meines Rückens und der Bauchbereich frei waren und mine Gastmutter den Stoff, aus einem Stück bestehend, nur recht locker gebunden hatte, war mir doch unglaublich heiß. Außerdem war die dazugehörige kurze Bluse so eng, dass ich kaum durchatmen konnte. Im Gegenzug erntete ich viele gut gemeinte Komplimente: „You look like an Indian Barbie doll“ war eines davon.

In erster Linie ist der Besuch natürlich Ganesha zu Ehren: Jeder Besucher zieht wie immer schon im Flur die Schuhe aus, hält nach Eintritt in die Wohnung einen Moment vor dem Tempel inne und legt mitgebrachte Früchte, Nüsse, Blumen oder auch Geld Ganesha zu Füßen. Nun erhält jeder Gast einen Tropfen Milch mit Zucker und Fett vermischt in die rechte Hand, später eine Süßigkeit namens Peda. Doch nicht genug: In der Küche wird jedem Gast ein Pappteller mit einer Auswahl an Snacks zusammengestellt, die nur ungern abgelehnt werden. Besonders in den letzten Tagen, an denen meine Gastfamilie und ich andere Familien besuchten, war es schwer, den fettigen oder süßen Kleinigkeiten fernzubleiben ohne die Hausfrau zu enttäuschen.


Die Gäste kommen und gehen. Sehen und Gesehen werden, Smalltalk und einladendes Lächeln können nach zwei Tagen doch recht anstrengend werden, sodass ich trotz der erlebnisreichen Zeit auch ganz erleichtert war, als die letzte Pooja stattfand und Ganesha seinen Tempel wieder verließ und in den Schrank zurückwanderte. Dies ist allerdings kein normales Ende der Festzeit: Ganeshas aus Plastik oder sogar ökofreundlichem Material werden traditionell im Meer oder in nahe gelegenen Seen versenkt.

Hierzu tragen in Wohninseln viele Familien ihre Idole zusammen und stellen sie zu der größeren, besonders reich geschmückten Figur, vor der sich die ganze Wohngemeinschaft versammelt und feiert. Von Trommeln und Gesang begleitet laufen (oder tanzen) die Familien zum nächstgelegenen Gewässer. Dort wird jede Figur einzeln versenkt: Ein Mann nimmt die Figur entgegen und taucht dreimal von Kopf bis Fuß mit ihr unter, taucht wieder auf, bis er beim vierten Mal ohne sie wieder erscheint. Ein kleines Stück der Figur (Klea) gibt er der Familie zurück und wird im Gegenzug mit einigen Rupien entlohnt.

Das größte Event dieser Festwoche ist das Versenken der fünf bis sechs Meter großen Ganeshas am zehnten Tag, dem 3. September. Der Strand ist so voll, dass sich die Leute wohl wirklich gegenseitig auf die Füße treten, um einen Blick auf die Statuen zu erhaschen. Mir wird erzählt, dass die Statuen wie beim Deutschen Karneval die Straßen entlanggefahren werden, dazu soll es Musik und Tanz geben. Ich freue mich schon drauf!

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Rotary-Austauschschülerin nach Mumbai