Mittwoch, 4. November 2009

RYLA in Dehli

Sonntag, 1. November 2009
Irgendwo zwischen Dehli und Mumbai

Und hier sitze ich wieder auf einer der aufklappbaren Matrazen des Langstreckenzuges und fahre mit sechzehn der anderen Austauschschülern, die auch am RYLA teilgenommen haben, wieder „nach Hause“. Diesmal fanden die Rotary Youth Leadership Awards nämlich in Dehli statt! Bevor ihr euch aber nun eine falsche Vorstellung von der Zeit in der sehenswerten Hauptstadt macht – wir haben zwar einen Eindruck von der Stadt bekommen, waren aber in einem Meditationszentrum untergebracht, das wir über vier von fünf Tage nicht verlassen sollten. Trotzdem sind mir bei unserer Ankunft so einige Unterschiede zu Mumbai aufgefallen.
Das erste, das mich ins Auge stach, waren die Rickshaws: Sie sind zwar genau so gebaut wie die in Mumbai, sind aber gelb-grün statt schwarz-gelb. Etwas später, als wir im Bus auf dem Weg zur Unterkunft saßen, realisierte ich wie angenehm trocken und kühl die Luft war. Ich musste trotz all dem Taschenschleppen kaum schwitzen. Nächte in Dehli lassen sich sogar mit Sommerabenden in Deutschand zu vergleichen, sodass ich wieder meine gemütlichen Jacken in Gebrauch nehmen konnte. Wenn auch eher zum Spaß hatte ich auch eine Wollmütze dabei, die ich mit der Hilfe meiner Gastmutter die Tage vor RYLA über selbst gestrickt habe.
Vom Bus aus konnte ich sonst noch sehen, dass die Straßen zwar genau so staubig sind und Slums wie auch in Mumbai existieren, die Gegend ist aber generell nicht so voller Leute, was den relativ niedrigen Geräuschpegel dort bedingt.

Ja, es war schon eine nicht ganz einfache Situation: Eine Gruppe von etwa 50 Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Gast bei Brahma Kumaris, den Brüdern und Schwestern, die in dem Zentrum der Meditation, des Friedens, der Selbstfindung und der Stille zu Hause sind. Uso schwieriger in Anbetracht dessen, dass wir Austauschschüler ohne laute Musik, die man jaber auch als Lärm verstehen kann, kaum auskommen. Auch waren die stets in schneeweiß gekleideten Brahma Kumaris etwas von unseren Nachtruhezeiten und dem unverklemmten Umgang zwischen Jungs und Mädchen irritiert. Zum Glück gab es nie richtig Krach und beide Seiten haben sich zurechtgefunden, wie es eben ging.
Dem Tagesprgramm nach war die Möglichkeit gegeben, um vier Uhr früh mit einer meditativen Einheit zu beginnen. Dazu fand man sich im Gemeinschaftssaal zusammen und lauschte eine Dreiviertelstunde lang ruhiger Indischer Musik, die mich ehrlichgesagt aber eher zum Einschlafen als zu einer ernsthaftigen Introspektion brachte. Nach einem Morgentee ging es dann mit Yoga weiter und um 8.30 Uhr folgte Frühstück. Der Rest des Tages war ausgefüllt mit Vorträgen und Diskussionsrunden zum Thema „Discover and Empower yourself“, bis um zehn Uhr abends eigentlich jeder in seinem Zimmer bleiben und das Licht löschen sollte...
Nahm man die Sache ernst, so hat man so einiges über Yoga und Selbstkontrolle gelernt. Ich habe auch viele neue Bekanntschaften gemacht; es waren Inder und Inderinnen aus allen Regionen des Landes dort. An einem der Abende hatten wir daher eine kleine Talent Show, zu der jeder, der wollte, etwas beitragen konnte. Es gab viel Musik und Indischen Tanz. Wenn auch der „zu laute“ Applaus den Schwestern gar nicht gefallen mochte, war es ein gelungener Abend mit einem möglichst spirituellen, aber eher energischen „La Bamba“ der ganzen Inboundgruppe zum Abschluss.

Gestern, am letzten Tag, haben die Rotarier eine Sightseeingtour für uns organisiert: Wir haben den größten Tempel ganz Asiens besichtigt! Akshardham heißt er, er ist zu Ehren der Symbolfigur Swami Narayans errichtet worden – In einem Zeitraum von nur fünf Jahren haben 7000 Männer einen 40 ha großen Tempel fertiggestellt, der nur aus einem einzigen Felsenstück besteht. Am Eingang wurden uns alle Kameras und Handys abgenommen, sodass ich keine Fotos von der Tempelanlage habe, aber die Eindrücke schon allein von der Außenfassade des Tempels sind mir noch ganz präsent: Die weißen Außenwände sind fast lückenlos mit unzähligen Ornamenten und Skulpturen verziert, und auch den Steinsockel unter dem Monument schmücken 148 Elefantenskulpturen, die alle eine andere Haltung und Bedeutung haben und so naturgetreu und detailreich abgebildet sind, als würden sie im nächsten Moment zum Leben erwachen. Eine Abbildung ist mir in besonderer Erinnerung geblieben: Der Elefant, der von vier Blinden ertastet wird, dabei steht jeder an einem anderen Teil, sodass jeder der vier einen „Elefanten“ anders definert – Weich und feucht für den Rüssel, staubig und hart für den Fuß, haarig für den Schwanz und groß und labberig für die Ohren. Die Sicht aller Religionen ist eben stückweise, Gott bleibt der selbe.
Es gab drei verschiedene Sääle in der Anlage: Den „Saal der Werte“, ein Filmtheater mit Riesentheater und einen „Saal der Indischen Geschichte und Kultur“. Ich habe mich ein Bisschen wie in einer lehrreichen Version von Disneyland gefühlt, da all diese Sääle mit der neusten Technologie ausgestattet waren und man sich durch die künstlerisch überaus gelungene Darstellungen wirklich vorstellen konnte, wie es früher in Indien ausgesehen haben muss. Auf dem Rückweg mit dem Bus sind wir dann noch am India Gate vorbeigefahren, dem Gegenstück zum Gateway of India, das im Süden Mumbais zu finden ist. Schönes Dehli!

Es ist nun neun Uhr abends – Indische Abendessenszeit. Es gibt Biriani, also gerösteter Reis mit scharfem Curry. Das Essen hier im Zug lässt etwas zu wünschen übrig, aber ich werde es mal probieren. Bis bald!

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Rotary-Austauschschülerin nach Mumbai