Sonntag, 8. November 2009

Heiraten auf Indisch

Sonntag, 8. November 2009
Central Mumbai


Hier ein kurzer Bericht von heute: Ich habe eine Indische Hochzeit erlebt! Oder besser gesagt, ich habe einen Teil davon gesehen. Indische Hochzeiten ziehen sich nämlich eigentlich über vier Tage. Je nach Geldaufwand und Geduld des Paares kann diese Zeitspanne aber auch gekürzt werden, wie ich erfahren habe.
Für mich begann die Hektik mit dem Kampf mit meinem Saree. Wie schon an Ganpati, machte es mir zunehmend Schwierigketen, mich mit dem diesmal etwas luftigeren, und doch gut isolierenden Stoff zu bewegen. Wir haben zwar November, aber die letzten Tage kamen mir heißer vor als die in der gefürchteten Oktoberhitze.
Nach der Autofahrt, bei der wir auch an einem großen Slum vorbeifuhren, ging es also in die „Festhalle“. Bisher wusste ich nur, dass es ein Saal mit Aircondition ist, nicht aber, dass die Zeremonie in einem reich geschmückten Auditorium stattfindet! Überall Girlanden und Blinklichter, hektische Fotografen und so viel Publikum bestehend aus nahen und fernen Verwandten; Freunden und Freundesfreunden... Ich kann wirklich von Glück sprechen, noch, so schnell es mit dem Saree ging, einen Sitzplatz ganz rechts hinten ergattert zu haben. Von Weitem sah ich also dem Hochzeitspaar zu – Angeleitet von einem Badjhi (Hindupriester) ging es sieben Runden um ein in der Mitte der Bühne platziertes Feuer und versprachen sich dabei ewige Treue, Bräutigam und Braut fütterten sich gegenseitig mit einer Süßspeise und zuletzt wird ihr eine Kette mit vielen, kleinen, schwarzen Perlen angelegt. Solche Ketten nennen sich Mangal Sutras und werden hier, wie bei uns Eheringe, von allen verheirateten Frauen getragen. Natürlich hatte die Braut auch kein einfaches, weißes Hochzeitskleid an: Sie trug einen Tiefroten Saree und jede Menge Gold in Form von Ketten, Ringen, Armreifen, Ohrgehängen und einem Nasenring. Während der Zeremonie werden beide Partner außerdem noch mit langen Blumenketten behängt.
Nachdem der letzte traditionelle Akt vorbei war, wurde die Menge freundlich dazu aufgefordert, sich auf den Weg zum Speisesaal zu machen. Wie werden jedoch schätzungsweise 1500-2000 Menschen auf einmal satt? Schon allein der Weg zum Saal gestaltete sich schwierig, auch weil ich darauf achten musste, dass weder ich, noch sonst irgendjemand auf meinen Saree tritt. Doch sobald ich den Duft der guten Indischen Speisen in meiner Nase hatte, wusste ich: der Aufwand lohnt sich.
Es gab Reis mit allen erdenklichen Soßen, Roti-Brot, Chinesische Nudeln, Panipuri, Paneer-Käse mit Pilzen und unzählige Variationen von Gemüse. Zum Nachtisch wurde Kulfi-Eis und Obstsalat angeboten. Es war ein richtiges Festmahl, auch wenn man eine ganze Weile lang in der Schlange stehen musste. Vorfreude ist eben die schönste Freude!
Schließlich ging es dann wieder in den Hauptsaal, wo man sich noch einmal ganz hinten anstellen durfte, um dem frisch getrauten Ehepaar zu gratulieren und in die Kamera der Fotografen zu lächeln. Und wirklich: Die beiden sahen auch von Nahem sehr glücklich aus. Es ist eine Liebesheirat gewesen, wobei es in Indien immernoch ca. 75% von den Eltern bestimmten Eheschließungen (arranged marriages) gibt. Wie ich gehört habe, sind allerdings einige Inder und Inderinnen ganz froh, die Verantwortung der Partnersuche aus der Hand geben zu können, und sich auf ihre Eltern zu verlassen; in diesem Fall kann von Zwangsheirat (die gibt es leider auch noch) nicht die Rede sein. Ich kenne sogar recht viele Ehepaare, die ein glückliches Familienleben führen, ohne sich vor ihrer Hochzeit wirklich gekannt zu haben.
Indisch zu heiraten muss ganz schön anstrengend, aber toll sein, und ich bin auch prompt gefragt worden, ob ich, um meine Hochzeit zu feiern, nicht auch nach Indien kommen wolle. Davon abgesehen, dass ich dem Christentum angehöre, und dass ich all meine Familie und Freunde wohl kaum hierhin mitnehmen kann, ist es eigentlich eine schöne Idee. Trotzdem glaube ich, mir würde der Hochzeitskuss zu sehr fehlen.

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